Wahlprogramme auf dem Prüfstand: Wer profitiert von den Steuerplänen der Parteien?

Mit dem Etikett „sozial gerecht“ wirbt jede politische Partei um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler. Die Wahlprogramme werden extra daraufhin ausgerichtet, allein schon, weil damit eine breite Wählerschicht – besonders Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien sowie Rentnerinnen und Rentner –  angesprochen und umworben werden können. Genauer zu prüfen ist empfehlenswert, denn jeder definiert soziale Gerechtigkeit anders. Bekannt ist der Spruch des früheren Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, Edmund Stoiber, dass „sozial ist, was Arbeit schafft“. Viele in unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen und solche, die selbst mit einem Vollzeitjob ihre Familien nicht versorgen können, dürften das anders sehen.

Wie gerecht sind also die verschiedenen Wahlprogramme tatsächlich? Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat für die Süddeutsche Zeitung berechnet, was die Programme der Parteien für den Geldbeutel der Bürger bedeutet: die Unterschiede sind sehr groß.

Das ZEW hat die Bereiche Steuer-, Sozial- und Familienpolitik untersucht und die Wirkung der einzelnen Vorschläge auf unterschiedliche Haushalte berechnet. Das Ergebnis zusammengefasst: SPD, Grüne und Linke möchten am meisten für Haushalte mit niedrigem Einkommen tun. Für Haushalte im mittleren Bereich haben alle untersuchten Parteien (CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke und FDP) etwas zu bieten, die Union allerdings am wenigsten. Besondere Wohltaten gibt es bei CDU/CSU und FDP für Gutverdiener ab 80.000 Euro. Die Kluft zwischen Arm und Reich würde damit noch größer. Bei den Vorschlägen der SPD, Grünen und Linke würde sich die Ungleichheit dagegen verringern, um etwa vier bis 15 Prozent.

Bemerkenswert ist auch, dass bei CDU/CSU und FDP die Staatskasse zusätzlich geleert würde, bei SPD, Grüne und Linke würden sich die Einnahmen erhöhen. Ein Effekt, der gerade aufgrund der Coronakrise entstandenen Schulden positiv wäre. Wie sich CDU/CSU und FDP vorstellen, wie der Schuldenberg abgebaut werden kann, erfährt man nicht. Ihre Steuerpläne reißen ein zusätzliches Loch von 30 beziehungsweise 90 Milliarden Euro in die Staatskasse. Ungeklärt ist auch, wie die zusätzlichen Ausgaben, die in den Programmen der beiden Parteien versprochen werden, z.B. für Digitalisierung, seriös finanziert werden sollen.   

Wahlprogramme im Vergleich: Wer gewinnt – wer verliert?

 CDU/CSUFDPSPDGRÜNELINKE
Bruttoeinkommen im Jahr in EuroPaar mit zwei Kindern (pro Jahr in Euro)Paar mit zwei Kindern (pro Jahr in Euro)Paar mit zwei Kindern (pro Jahr in Euro)Paar mit zwei Kindern (pro Jahr in Euro)Paar mit zwei Kindern (pro Jahr in Euro)
20.000.-+ 890+ 2.920+ 3.200+ 3.420+ 6.490
40.000.-+ 940+ 870+ 4.030+ 3.290+ 5.090
60.000.-+ 1.090+ 2.000+ 1.020+ 1.930+ 5.520
120.000.-+ 2.290+ 6.560+ 1.090+ 750– 1.780
300.000,-+ 10.500+ 18.160– 12.840– 12.990– 191.410
Quelle: ZEW-EviSTA

CDU/CSU wollen für Gutverdiener ein wahres Feuerwerk abbrennen, so die Wissenschaftler. So soll der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden; das kommt den oberen 10 Prozent des Landes zugute. Auch der Spitzensteuersatz soll erst bei höheren Einkommen greifen und Gewinne sollen niedriger besteuert werden.

Die SPD will Topverdiener stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranziehen“. Ähnlich sehen es Grüne und Linke in ihren Programmen vor.

SPD, Grüne und Linke wollen besonders niedrige Einkommen entlasten und zudem den Mindestlohn erhöhen und eine Kindergrundsicherung einführen. Das Armutsrisiko würde von heute 14 Prozent auf 11 Prozent der Bürger sinken.

Auch die FDP hat Steuererleichterungen für Niedrigverdiener und ein Chancengeld gegen Kinderarmut. Hauptbegünstigte der FDP Steuerpläne sind jedoch mit Abstand die Höchstverdiener. Geringverdiener haben von der CDU nichts zu erwarten.

Oft wird gesagt, die Parteien und Wahlprogramme unterscheiden sich nicht mehr. Das stimmt jedoch nicht, wie die Untersuchung des Forschungsinstitutes zeigt.

Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen.