Koalitionsvertrag: Wir haben uns eingemischt!

„WIR MISCHEN UNS EIN“ – unter diesem Motto haben sich seit dem 1. Mai 2021 Postler*innen, Betriebsräte* innen und Gewerkschafter*innen in den Bundestagswahlkampf eingemischt. Die Bundestagswahl hat uns eine Ampelkoalition beschert.

Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen haben wir daher den Verhandlern der Ampelkoalition 7 Vorschläge zur sozialen und ökologischen Erneuerung in der Post- und Paketbranche unterbreitet. In diese Vorschläge sind einerseits die Erfahrungen vieler Beschäftigter und Interessenvertreter*innen und andererseits die Erkenntnisse aus zahlreichen Gesprächen mit Branchenexpert*innen und Politiker*innen mit eingeflossen.

Die Ampelkoalition hat vor, die Erneuerung Deutschlands im Zeichen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit als ihre wichtigste Mission in Angriff zu nehmen.

Die Bekämpfung der Klimakatastrophe und die Sicherung guter und fair bezahlter Arbeit müssen dabei Hand in Hand gehen, allein schon, um den unabdingbaren, gesellschaftlichen Konsens für die anstehenden Reformen zu gewährleisten.

Die besondere Bedeutung der Post- und Paketbranche für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Kommunikation und Güterversorgung der Menschen ist zuletzt in der Pandemie, aber auch in den Hochwasserregionen nachdrücklich unter Beweis gestellt worden. Die „Systemrelevanz“ der Branche wurde vielfach herausgestellt, die unter schwierigsten Bedingungen erbrachten Leistungen ihrer Arbeitnehmer*innen häufig gewürdigt. Die bisherige flächendeckende, hochwertige Postdienstleistung mit seinem Universaldienst als öffentliche Daseinsvorsorge hat sich bewährt. Zugleich ist aber zunehmend deutlich geworden, dass sich in der Post- und Paketlogistik die sozialen und ökologischen Problemstellungen unseres Landes in exemplarischer Weise bündeln.

Immer wieder sorgen skandalöse und ausbeuterische Praktiken – Niedriglöhne, überlange Arbeitszeiten, mangelnde soziale Absicherung – vor allem in der Paketzustellung für öffentliche Empörung und negative Schlagzeilen. Die sozialen Verwerfungen in diesem Bereich erinnern immer stärker an die unwürdigen Zustände in der Fleischindustrie. Zu beklagen ist nicht nur, dass solche prekären Verhältnisse für die betroffenen Menschen mit gravierenden Einbußen an Arbeits- und Lebensqualität einhergehen. Sie verzerren überdies den Wettbewerb, weil reine Dumpingstrategien begünstigt werden und damit ein fairer Qualitäts- und Innovationswettbewerb der Anbieter faktisch unmöglich gemacht wird. Dies gilt es zu ändern: Die soziale Nachhaltigkeit der Branche muss verbessert werden. Dazu braucht es politische Impulse und regulatorische Leitplanken.

Mehr und mehr zeigt sich auch der Stellenwert der Post- und Paketlogistik für den Kampf gegen die Klimakrise. Der ökologische Fußabdruck der Verkehrslogistik wird durch die rasanten Wachstumspotentiale des Onlinehandels noch weiter zunehmen. Die Branche sieht sich somit mit der Notwendigkeit konfrontiert, einerseits mehr Güter zu befördern, andererseits aber ihre Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren, um einen glaubwürdigen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Dazu sind neben Anstrengungen der Marktakteure auch zwingende politische Zielvorgaben und staatliche Flankierung erforderlich.

Aus all diesen Gründen haben wir uns mit Blick auf tariflich geschützte Arbeitsplätze gemeinsam mit Gewerkschaften und Betriebsräten gegenüber den demokratischen Parteien bei der Bundestagswahl eingemischt. Das Fazit des DGB „Ein Koalitionsvertrag mit Stärken und Schwächen“ trifft dabei auch für die postalischen Punkte zu.

Koalitionsvertrag und Postgesetz

Aus unseren 7 Vorschlägen für den Koalitionsvertrag sind zahlreiche Vorschläge aufgegriffen worden. Allen voran die Absicht, das Postgesetz sozial und ökologisch neu auszurichten.

Das Ziel einiger Politiker*innen, über den Koalitionsvertrag die Deutsche Post mit tiefgreifenden Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Beschäftigungsbedingungen negativ zu regulieren, wurde in den Ampelverhandlungen „wegverhandelt“. Fairer Wettbewerb muss sich, so die Festlegungen, zukünftig an sozialen und ökologischen Standards orientieren.

Der Verkauf von Anteilen des Bundes an der Deutschen Post wurde abgewendet. Künftig wird das Parlament über das Bundesfinanzierungsgremium prüfen, ob die mit einer Beteiligung des Bundes verfolgten Ziele erreicht und zur öffentlichen Daseinsvorsorge noch benötigt werden. Da nach Artikel 87 GG der Bund im Bereich des Postwesens für eine flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen sorgen muss, bleibt ein politischer Hebel für einen Staatsbesitz erhalten.

Die soziale und ökologische Modernisierung der Post- und Paketlogistik muss jetzt zügig vorangebracht werden. Die neue Bundesregierung verfügt mit ihren Verabredungen im Koalitionsvertrag über eine Reihe von Instrumenten, um mit geeigneten Weichenstellungen die Branche zum  Baustein ihres Programms zur nachhaltigen Erneuerung des Landes zu machen.

Der Vorstand der Deutschen Post DHL ist jetzt gefordert!

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag gilt es, unternehmerische Anstrengungen auszuweiten, Chancen zu nutzen und gemeinsam mit Mitarbeiter*innen und Betriebsräte*innen zu einem Wettbewerbsvorteil auszubauen. Arbeitsplatzsicherheit und Beschäftigungsbedingungen können dadurch verbessert werden! Jetzt ist die Unternehmensleitung gefordert:

Im Koalitionsvertrag wurden zahlreiche soziale und ökologische Themen adressiert. Es gilt jetzt durch den ökologischen Umbau des Unternehmens Chancen, die sich für tariflich geschützte Arbeitsplätze und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ergeben, zu nutzen und Verabredungen mit den Betriebsräten zu dauerhaften Entfristungen von Arbeitsverhältnissen, Ausbildungsanstrengungen und Arbeitsschutz zu treffen.

Mit einer Offensive zu mehr Nachhaltigkeit, gilt es den Weg zu Null Emissionen in der Post- und Paketlogistik weiter voranzutreiben. Investitionen in klimafreundliche Zustellkonzepte, grüne Immobilien, alternative Transportlösungen, Elektro- und Wasserstofftechnologien, grüne Produkte und Kreislaufwirtschaft sind dabei die Stichworte.

Die Deutsche Post muss Deutschlands bester Post- und Paketdienstleister bei der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit werden und dies als Wettbewerbsvorteil nutzen. Bei Ausschreibungen müssen künftig soziale und ökologischen Anforderungen formuliert werden.

Die angestrebte neue Vergabepolitik der öffentlichen Hand eröffnet Chancen, die Branche sozial zu erneuern. Gemeinsam mit der Gewerkschaft und den Betriebsräten gilt es, Vergabeentscheidungen auf der Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene nach dem Motto „FAIRsenden“ zu gestalten.

Absicht der neuen Regierung ist es, den Schienenverkehr in der logistischen Kette zu stärken und für neue Gleisanschlüsse an Logistikstandorte zu sorgen. Von der Unternehmensleitung sollten daher die Anstrengungen beschleunigt werden, Konzepte für eine Anbindung an Paketzentren zu entwickeln. Das hilft die Klimabilanz in der Logistik zu verbessern und wird zum Wettbewerbsvorteil.

Die neue Regierung will die Luftreinhaltung in den Städten vorantreiben und eine emissionsfreie Stadtlogistik fördern. Modellversuche wie in Trier, wo gemeinsam zwischen Kommune, der Deutschen Post DHL, den Betriebsräten und Verdi, eine CO² freie Postversorgung angestrebt wird, sollten unter Einbindung der Betriebsräte auch in anderen Regionen durch die Unternehmensleitung ausgerollt werden. Nur so wird man im Wettbewerb bestehen können.

Die Absicht der neuen Bundesregierung, die Lebenssituation im ländlichen Raum durch neue Konzepte in der Nahversorgung zu unterstützen, sollte durch die Unternehmensleitung mit Ideen und Vorschlägen, dafür das vorhandene Netz der Deutschen Post DHL zu nutzen, unterstützt werden.

Wachsamkeit ist erforderlich, damit sich die Absichten der Ampelkoalition auch in Gesetze umsetzen!

1.Das Postgesetz sozial und ökologisch neu ausrichten. Darum geht es dabei:

Die im Postgesetz seit 1997 verankerten sozialen Lizenzauflagen für Briefdienstleister müssen

-präziser, verbindlicher und wirksamer auf die Gewährleistung guter, auskömmlicher, tarifgebundener und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet und

-in ihrer Reichweite zwingend auf die Paketbranche – einschließlich von Subunternehmen – ausgedehnt werden, da vor allem in diesem bislang weitgehend unregulierten Markt schlechte und prekäre Arbeitsbedingungen zu beklagen sind.

Angesichts der klimapolitischen Notwendigkeiten bedarf das Postgesetz zudem der Ergänzung um ambitionierte ökologische Lizenzauflagen für Brief- und Paketdienstleister, die den Marktzutritt von der nachweislichen Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen – etwa bei Emissionen und beim Energieverbrauch – abhängig machen. Ohne solche Vorgaben wird die Branche ihren Beitrag zur Klimaneutralität nicht erbringen können.

2.Die Einhaltung rechtlicher Vorgaben sicherstellen. Darum geht es dabei:

Der Absicht im Koalitionsvertrag, die Kontrollbehörden zu stärken und bessere Sozialstandards und Arbeitsbedingungen durchsetzen, ist gut und richtig.

Die bisherigen Erfahrungen mit den Lizenzauflagen des Postgesetzes, aber auch mit den Rechtsvorgaben zur Unterbindung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit, lassen ein ausgeprägtes Umsetzungsdefizit in Teilen der Post- und Paketlogistik erkennen. Allzu oft werden die Bestimmungen systematisch umgangen und unterlaufen – und allzu oft bleiben solche Verstöße unentdeckt. Damit Recht nicht allein auf dem Papier steht, sondern reale Wirkung zeigen kann, muss die neue Bundesregierung die Kontrollinstanzen – z.B. in der Zollverwaltung – personell weiter stärken, mit ausreichenden Kompetenzen ausstatten und die deutlich gewordenen Regelungslücken schließen.

3. Die öffentliche Auftragsvergabe zum Schutz der Menschen und des Klimas nutzen. Darum geht es:

Die öffentliche Hand erteilt in Deutschland jährlich Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages an private Unternehmen.  Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist damit ein wichtiger Hebel zur Durchsetzung sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. Dies gilt auch für die Brief- und Paketlogistik. Entsprechende Vergabestandards zum Schutz der Menschen und des Klimas sollten in einem neu zu schaffenden Bundesvergabegesetz präzisiert werden. Dabei geht es etwa um die Zahlung von Tariflöhnen  und die Gewährleistung von guter und sozialversicherungspflichtiger Arbeit oder um Kriterien wie die Reduzierung von Treibhausgasen oder Energieeffizienz. Bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand sind auch umweltbezogene Anforderungen bezüglich des Einsatzes emissionsarmer / emissionsfreier Fahrzeuge von Post- und Paketdiensten zu berücksichtigen, wie sie die Green Vehicle Directive der EU vorsieht.

4.Mehr Gütertransporte auf die Schiene verlagern. Darum geht es:

Die Klima- und Energiebilanz der Branche soll sich nachhaltig verbessern. Das gelingt nur, wenn ein stark steigender Anteil des überregionalen Gütertransports auf die umweltfreundlichere Schiene verlagert wird. Dazu sind auch schnelle Genehmigungsverfahren für Gleisanschlüsse in räumlicher Nähe zu Paketzentren erforderlich.

5.Modellprojekte zur Reduzierung von Verkehrs- und Umweltbelastung in den Städten fördern. Darum geht es:

Soll die Branche einen Beitrag zur Reduzierung der Verkehrs- und Schadstoffbelastung in den Innenstädten leisten, so bedarf es dazu – neben einer weiteren Erhöhung des Anteils emissionsarmer Fahrzeuge – auch neuer Zustellungskonzepte auf der „letzten Meile“, die geeignet sind, Güterströme effizienter zu organisieren. Zur Erprobung und Verbreitung klima- und menschenfreundlicher City-Logistik-Konzepte sollte der Bund ein ausreichend dimensioniertes Förderprogramm auflegen, innovative Modellprojekte anregen und deren Umsetzung in den „Wirkbetrieb“ unterstützen. Dem Universaldienstleister für die Postversorgung ist dabei eine Schlüsselrolle zuzuweisen.

6.Qualitätskriterien zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit präzisieren. Darum geht es:

Nicht nur, aber auch in der Post- und Paketbranche sind Auftraggeber und Verbraucher zunehmend daran interessiert oder dazu angehalten, ihre Kaufentscheidungen an Kriterien ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit auszurichten. Allerdings mangelt es derzeit noch an hinreichend genauen und verlässlichen Informationen, Definitionen und Klassifikationen, die solche Entscheidungen erleichtern. Die Bundesregierung sollte einen Dialog der Branche mit Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden und wissenschaftlichen Expert*innen initiieren, um die gemeinsame Erarbeitung von sozialen und ökologischen Kriterien für die Branche anzustoßen. Auf der Grundlage der Ergebnisse könnte dann eine Initiative zur Kennzeichnung von entsprechenden Produkten („Nachhaltigkeitslabel“) starten.

7.Allgemeine Rahmenbedingungen für Gute Arbeit verbessern. Darum geht es:

Es geht um grundsätzliche Fragen wie die Branche sozial geprägt werden kann. Dazu gehören:

−  Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns,

−  die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen,

−  die Abschaffung sachgrundloser Befristungen,

−  die Einschränkung von Kettenbefristungen,

−  die Eindämmung von Werkverträgen und Leiharbeit,

−  die Verabschiedung eines Bundestariftreuegesetzes.

Auf die Bewertung des DGB zu diesen, im Koalitionsvertrag behandelten Themen, wird verwiesen.

Mit sieben Vorschlägen zur sozialen und ökologischen Erneuerung in der Post- und Paketbranche hat sich die Wählerinitiative während der Koalitionsverhandlungen an die Ampelparteien gewandt. Was daraus geworden ist, zeigt die Präsentation zum Herunterladen: