Auf Einladung von verdi diskutierte der Ministerpräsident von Niedersachen, Stephan Weil, mit Postlern im Biergarten von Sarstedt


Bericht von Tarek Abu Ajamieh
Sarstedt/ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan W eil (SPD) hat sich bei einem Wahlkampf-Auftritt in Sarstedt für deutlich höhere Mindestlöhne und mehr unbefristete Arbeitsverträge sowie gegen ein höheres Renteneintrittsalter ausgesprochen.
Weil sprach am Sonntagnachmittag auf Einladung der Gewerkschaft Verdi vor allem vor Post-Beschäftigten aus der weiteren Umgebung. Die Organisatoren hatten unter anderem einen Bus gechartert, um Mitglieder aus dem Raum Braunschweig auf den Sarstedter Festplatz zu bringen. Der Sarstedter Landtagsabgeordnete Markus Brinkmann hatte die Veranstaltung mitorganisiert – er ist selbst alter Postgewerkschafter.
Die Themen, die Weil ansprach, waren vor allem bundespolitischer Prägung, auf die Kommunalwahl ging e r nicht ein. Der Ministerpräsident zollte zunächst den Postlerinnen und Postlern Respekt. Sie seien „Leistungsträger in der Pandemie“ gewesen und hätten, wie auch Beschäftigte in Einzelhandel und Logistik, „den Laden am Laufen gehalten“. Er berichtete, er habe in der Vorweihnachtszeit einen Zusteller in Hannover drei Stunden lang begleitet: „Wenn man das acht Stunden am Tag macht, muss es jeden Tag wie eine Bergwanderung sein“, sagte er.
Dann übte er scharfe Kritik an Amazon und anderen Onlinehändlern und Logistik-Dienstleistern. Sie würden im Gegensatz zur Deutschen Post deutlich niedrigere Löhne zahlen und schlechtere Arbeitsbedingungen bieten. Politisch sei es ein springender Punkt, dass Unternehmen, die ihre Beschäftigten fair bezahlen und vernünftig behandeln würden, dadurch keine Wettbewerbs-Nachteile haben dürften. „Schlechtere Arbeitsbedingungen dürfen sich nicht lohnen!“ Deshalb fordere er unter anderem eine „deutliche Anhebung“ des Mindestlohns, sagte Weil, ohne Zahlen zu nennen. Auch gelte es, das Phänomen der Werkverträge zurückzudrängen: „Die Öffentlichkeit kennt das vor allem aus der Fleischindustrie, aber auch in vielen anderen Bereichen hat sich dieses Modell Bahn gebrochen.“ Das sei ein „Unterlaufen des Arbeitsrechts“, das es in der neuen Legislaturperiode im Bundestag zurückzudrängen gelte.
Zudem forderte Weil, Unternehmen dürften Beschäftigten nicht länger befristete Verträge anbieten, ohne dafür einen „Sachgrund“ z u benennen. „Das muss weg, aber die Union tritt da auf die Bremse“, wetterte Weil und klagte, die gegenwärtige Praxis sei „eines Sozialstaats unwürdig“. Er wünsche sich „im Bundestag eine Mehrheit, um das zu korrigieren“. In der anschließenden Diskussionsrunde monierten Gewerkschafts-Vertreter Überlegungen für eine Rente mit 67. „Die Hälfte der Zusteller schafft es schon jetzt nicht bis zum regulären Eintrittsalter“, betonte eine Verdi-Funktionärin. Stephan Weil versicherte: „Eine Rente mit 67 wird es mit uns nicht geben.“ Ob für Zusteller, Handwerker oder überhaupt „weite Teile der Arbeitswelt“ sei das nicht zumutbar. Allerdings müsse die Gesellschaft die Frage nach der Rentenfinanzierung beantworten: „ Die Kernfrage ist: Wie hoch muss die Rente mindestens sein, wie hoch dürfen die Rentenversicherungsbeiträge höchstens sein?“, führte er aus. Die Differenz müsse im Zweifel aus Steuereinnahmen bezahlt werden.
Abschließend monierte Verdi die Entscheidung der Deutschen Post, aktuell keine neuen Azubis einzustellen. Weil fand das „angesichts der Altersstruktur im Unternehmen befremdlich“ und kündigte an, dazu das Gespräch mit dem Konzern zu suchen.



Bilder: Postler Wahlinitiative
„
Die quietscht
ja gar nicht!
Stephan Weil
Ministerpräsident, über
eine ihm geschenkte
Verdi-Badewannenente.
(Nach einigen weiteren
Versuchen quietschte
die Ente dann doch).