Eine neue Bundesregierung muss schnell die richtigen Weichen stellen

VPV FORUM. Soziale und ökologische Nachhaltigkeit in der Post- und Paketlogistik

Die Klimakrise verlangt einen Kurswechsel. Und verträgt nicht länger, dass bestimmte Bereiche nichts zur CO2  Reduktion beitragen, wie zum Beispiel der Verkehrssektor. Während es in der Industrie, in der Energiewirtschaft und in privaten Haushalten gelungen ist, schädliche Treibhausgase (im Zeitraum von 1990 bis 2019) um 35 Prozent einzusparen, stiegen sie im gleichen Zeitraum im Bereich Verkehr sogar an: von 165 Tonnen auf  166 Tonnen. Auf den Verkehrssektor entfallen etwa 20 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen.

Podiumsteilnehmer (v.l.n.r.): Dr. Daniel Hay (HBS), Martin Ritterhaus (DB Cargo AG), Claus Zanker (INPUT Consulting) Moderator Arnold Püschel, Dr. Tobias Meyer (Deutsche Post/DHL), Klaus Brenner (VPV), Thomas Held (Vorsitzender GBR Deutsche Post); Foto: VPV

„Die Post- und Paketlogistik ist dabei zwar nicht der Kern des Problems“, erläuterte Claus Zanker, Geschäftsführer von INPUT Consulting, „aber ein wichtiger Teil davon.“

Die Unternehmen im Güterverkehr müssten jetzt handeln und ihren fälligen Beitrag zur Verminderung der Treibhausgase leisten.

Klaus Brenner, Vorstandsvorsitzender der VPV Versicherungen

Wettbewerbsnachteile verhindern: Unternehmen ohne soziale und ökologische Verantwortung nicht belohnen

Auf dem Weg zu Null Emissionen in Deutschland habe die Deutsche Post AG eine Offensive für mehr Nachhaltigkeit in der Post- und Paketlogistik gestartet, berichtet Dr. Tobias Meyer vom Vorstand Deutsche Post/DHL. Der Vorstand habe drei Handlungsfelder festgelegt: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Ziel sei es, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein sozial verantwortliches und für die Umwelt ein nachhaltiges Unternehmen zu sein. Trotz erwartetem Geschäftswachstum sollen die Emissionen bis 2050 auf Null gesenkt werden.

„Schon heute im Markt die geringsten Emissionen“: Dr. Tobias Meyer

„Die Post rechnet mit Mehrausgaben in Höhe von 7 Mrd. Euro für grüne Technologien bis 2030. Wir sind bereits heute Vorreiter der Branche und haben im Markt die geringsten Emissionen“, betont der Unternehmensvertreter. Darin liege allerdings auch ein Problem, dass andere Marktteilnehmer sich soziale und ökologische Kosten sparen und dies zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Post AG führen würde.

Unterstützt die Forderungen der Postler-Initiative: Olaf Scholz sendet eine Grußbotschaft

Gesetzgeber gefordert

Nachhaltiges Handeln müsse deshalb durch Rahmenbedingungen des Gesetzgebers beschleunigt werden. Dazu gehöre, dass bei Ausschreibungen auch soziale und ökologische Kriterien verlangt werden und faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Klimaschutzkriterien müssten auch in die Postregulierung einbezogen werden. Die bisherige Bevorzugung des Güterverkehrs auf der Straße und die Vernachlässigung der Bahn müsse ein Ende haben.

Der boomende Paketbereich darf nicht zur Fleischindustrie 2.0 werden.

„Umweltsünder und unsoziale Arbeitgeber dürfen nicht länger belohnt werden“, fordert auch Claus Zanker und verweist auf erschreckende Zustände gerade im Post- und Logistiksektor: Niedriglöhne, befristete Arbeitsverträge, überlange Arbeitszeiten, belastungsreiche Tätigkeiten,Scheinselbständigkeit und noch schlechtere Bedingungen bei Subunternehmen. All das sei an der Tagesordnung, weshalb der „Amazonisierung“ der Branche durch den Gesetzgeber entgegengetreten werden müsse. Bedauerlich sei es, dass das Vorhaben des Bundesarbeitsministers, Hubertus (SPD), die sachgrundlose Befristung abzuschaffen, am Widerstand der CDU/CSU und des Kanzleramtes gescheitert ist.

„Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und schlechte Arbeitsbedingungen sind vor allem in Unternehmen ohne Tarifbindung und ohne betriebliche Mitbestimmung zu verorten. Davon betroffen sind in der Regel Beschäftigte bei Subunternehmen der großen Paketdienste und bei „neuen“ Briefdienstleistern“, hat INPUT festgestellt.  Eine neue Bundesregierung müsse die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen festlegen und die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Tarifbindung koppeln. Zur Verbesserung der Situation sei es erforderlich, die betriebliche- und Unternehmensmitbestimmung auszuweiten und die Wahl von Betriebsräten zu erleichtern.

Betriebsräte verbessern das Klima

 „Gewachsene Sozialpartnerschaft ist hilfreich für die Verankerung von Nachhaltigkeitszielen“, weist Dr. Daniel Hay, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung in seinem Vortag nach: „Mitbestimmte Unternehmen haben höhere Chancen, dass sich Unternehmen glaubhaft zur Einhaltung von CSR-Kriterien verpflichten, habe höhere Investitionsquoten und haben häufiger eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensführung. Die Ausbildungsquoten und die Beschäftigungssicherung sind höher.“ Dr. Hay’s Fazit: „Betriebsräte können den Nachhaltigkeitsprozess beschleunigen. Mitbestimmte Unternehmen planen intensiver für die Zukunft.“

Für Claus Zanker vom Forschungsinstitut INPUT ergeben sich folgende politische Anforderungen an eine soziale und ökologische Erneuerung der Post- und Paketlogistik:

  • Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen in der Branche
  • Erhöhung gesetzlicher Mindestlohn
  • Einschränkung sachgrundloser Befristungen
  • Beschränkung von Werkverträgen und Leiharbeit
  • Anwendung von Tariftreueregelungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe von Post- und Paketdienstleistungen
  • Erweiterung der Marktregulierung auf die Paketbranche (inkl. Subunternehmen, neue Anbieter)
  • Soziale Lizenzanforderungen auf Paketdienste erweitern
  • Soziale Regulierung der Branche: Umsetzungs- und Kontrolldefizite beseitigen, Regelungslücken schließen.

Ernst Edhofer